Die Frauenbewegung in der Welt der Weine: Wie Wein zur Frauensache wird oder zur Damenwahl

Ein Besuch im Neuburger WEINPARADISO

Ein Neuburger Wein hat zwar nichts mit Neuburg an der Donau zu tun, aber schmeckt hervorragend. Das lernt man in Wilfried Grebens Laden WEINPARADISO, wenn man als Neuburgerin einen solchen Wein unbedingt einmal probieren möchte. Denn der Händler hat einen Wein dieser alten Österreichischen Weißweinrebe vom Weingut Landauer aus dem Burgenland im Regal – nicht nur aus Gründen der Namensgleichheit zu Neuburg an der Donau, sondern auch, weil der Wein einfach eine großartige Qualität hat.

Ich merke, dass ich als an Wein interessierte Frau im WEINPARADISO sehr willkommen bin. Von der Neuburger Weißweinrebe in Österreich kamen wir schließlich auf deutschen Wein zu sprechen. Das Sortiment im WEINPARADISO umfasst typische deutsche Weine, die man auch erwartet – Rieslinge, Spätburgunder und Ähnliches. Aber dass Merlot und Auxerrois unter Deutschland einsortiert waren, hat mich dann doch gewundert – sind das nicht normalerweise französische Sorten?

„Ja, ursprünglich schon“, erklärt mir Wilfried Greben, „aber die Klimaveränderungen der letzten Jahre machten es möglich, diese Sorten auch in Deutschland anzubauen. Die Winzer sind damit sehr erfolgreich.“

Das und noch viel mehr Interessantes über die Weine im WEINPARADISO-Sortiment erfuhr ich bei meinem Besuch in dem Neuburger Weinfachhandel. Der Inhaber weiß nicht nur sehr viel und vermag das gut verständlich und unterhaltsam zu vermitteln, sondern hat auch spürbar Spaß daran, mit Kunden zu sprechen. Beziehungsweise mit Kundinnen, denn tatsächlich bin ich bei Weitem nicht die erste Frau, die sich im WEINPARADISO eine Weinberatung einholt.

Die Weinauswahl wird zur Damenwahl

„Seit der Neueröffnung des WEINPARADISOS am 17.10.2020 besteht meine Kundschaft zu 90 % aus Frauen. Noch vor 25 bis 30 Jahren war Wein Männersache – zumindest die Auswahl. Die Frauen haben dann höchstens mitgetrunken, aber der Sommelier stand bei der Weinprobe immer an der Seite des Ehemanns. Er hatte das Sagen, die Bewertung lag in seiner Hand. Daran kann ich mich noch gut erinnern, es war eine Selbstverständlichkeit – ob im Fürstenhof in München, in Edelrestaurants in Paris oder im Restaurant Victoria in Düsseldorf: Der Mann suchte aus, was getrunken wird, und bekam den Wein zuerst eingeschenkt. Heute aber zeigt mir die Erfahrung in meinem eigenen Weinfachhandel, dass sich das Blatt vollkommen gewendet hat. Heute sind es die Frauen, die für den Weineinkauf zuständig sind“, stellt der erfahrene Weinfachmann fest.

Und Wilfried Greben fühlt sich wohl mit seinen Kundinnen. Gerade jene Frauen, die bewusst einen Weinfachhandel betreten, sind natürlich nicht auf der Suche nach dem allerersten Wein ihres Lebens, sondern sind Kennerinnen mit teils erstaunlichem Weinwissen.

„Die Frauen, die in meinen Laden kommen, sind aufgeschlossen, und mit einer guten Nase ausgestattet. Sie kennen sich aus und sind zugleich wissbegierig, unser Weinwissen tauschen wir im Dialog aus. Die Wahl fällt dann sehr oft auf Prädikatsweine oder hochwertige italienische Weine. Eine gute Damenweinwahl!“, lacht „Le Chef“ fröhlich, und führt weiter aus: „Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie feminin die Sprache ist, wenn ein Wein verkostet wird? Viele der Worte, die für die Beschreibung von Weinen verwendet werden, erzeugen Bilder, die an schöne Frauen denken lassen: Weine können lieblich, elegant oder harmonisch sein, sogar rassig und durchdringend wie ein intensiver, sinnlicher Blick. Die weintrinkende Person ist dann der Weinliebhaber. Allein daran sieht man doch schon, dass Frauen und Weine gut zusammenpassen!“

Sommelière und Winzerin: Die Weinprofis sind nicht mehr ausschließlich männlich 

Doch nicht nur die Weinkundschaft hat in den letzten Jahrzehnten eine „Verweiblichung“ erfahren. Die Frauenbewegung ist auch in der Weinwirtschaft, gerade im Winzer- und Sommelier-Beruf, deutlich spürbar.

Im Düsseldorfer Restaurant Victoria gab es schon 1989 eine Weinberaterin, Frau Paula Bosch. Sie war damals eine echte Exotin, die erste Sommelière Deutschlands, und nicht zuletzt aufgrund der Männervorherrschaft in ihrem Tätigkeitsfeld ist sie zur wohl bekanntesten deutschen Weinexpertin aufgestiegen. Inzwischen hat die heute 64-Jährige, die auch zahlreiche erfolgreiche Bücher über deutsche Weine geschrieben hat, sicherlich viele Nachfolgerinnen dazu inspiriert, das Ungewöhnliche zu wagen und den Beruf der Sommelière zu erlernen oder als Winzerin in die Weinbranche zu gehen.

Im Jahr 2019 waren von den etwa 800 Auszubildenden im Winzerberuf gut 200 weiblich – das entspricht ungefähr 25 %. Im Jahr 2006 lag der Frauenanteil noch bei unter 150 Auszubildenden und bei etwa 15 bis 20 % - und da hatte die Frauenbewegung bereits begonnen.

Seit 2017 kürt das Genussmagazin „Selection“ jedes Jahr die „Winzerin des Jahres“ – ein Wettbewerb, der bewusst ausschließlich Frauen vorbehalten ist. Sandra Laubenstein vom Weingut Wilhelm Laubenstein aus Rheinhessen konnte 2020 diesen Titel gewinnen. Doch auch in geschlechtsunspezifischen Wettbewerben können sich Frauen immer wieder durchsetzen. So war die Siegerin des „Winzer des Jahres“-Wettbewerbs der Fachzeitschrift Falstaff im Jahr 2020 weiblich: Carolin Diel vom Weingut Diel an der Nahe nahm diesen Titel vergangenes Jahr mit nach Hause.

Frauen am Deutschen Weininstitut und in Fachvereinen

Sogar die Geschäftsführung des Deutschen Weininstituts in Mainz ist weiblich: Monika Reule führt es seit 2007, und hat mit Christa Dapper eine ebenfalls weibliche Geschäftsführungsassistenz. In einem Telefongespräch mit Wilfried Greben bestätigte die Geschäftsführerin die auffällige Frauenbewegung in der Weinbranche.

Inzwischen sind die Frauen in der Weinwirtschaft auch bestens organisiert: Im Jahr 2002 wurde die „International Association of Women in Wine“ („Internationale Vereinigung der Weinfrauen“) gegründet. Die Gründungsmitglieder waren Vereine aus Frankreich, Deutschland, der Schweiz, Griechenland und Italien. In Deutschland war es der Vinissima – Frauen & Wein e.V., der die Vereinigung mitbegründete.

Vinissima wurde vor bereits 30 Jahren, im Jahr 1991, gegründet. Damals wurden die Damen von Vinissima nicht immer ernst genommen und gerne belächelt – heute ist der Verein ein bundesweites Berufsnetzwerk mit etwa 600 Mitgliederinnen mit Vereinssitz in der hessischen Weinstadt Geisenheim. Hier können Winzerinnen, Sommelière, Händlerinnen, Journalistinnen und andere Weinfachfrauen miteinander in Kontakt treten, sich austauschen und in Workshops, Weinreisen oder Verkostungen weiterbilden.

Übrigens: Nicht nur die Frauen haben sich in zuvor von Männer dominierte Gebiete geschlichen, es geht auch anders herum. Glauben Sie, Weinköniginnen seien immer weiblich? Das stimmte mal – aber nur bis zum Jahr 2016, als an der Mosel mit Sven I. aus Kesten der erste deutsche Weinkönig gekürt wurde.

Die Schwertführerinnen aus Sooß: Ein erfrischendes Beispiel weiblichen Wein-Elans

In der Thermenregion Sooß in Österreich gibt es das Familienweingut Schwertführer, aus welchem im Jahr 2014 ein neues Weingut hervorgegangen ist: Schwerführerinnen, geleitet von den beiden Töchtern der Familie, Kerstin und Sigrid Schwertführer. Mit dem Segen der gesamten Familie, führen die Schwestern das Familienweingut in 5. Generation weiter und machen dabei dennoch ihr „eigenes Ding“. Die bewährten Sorten und Methoden ihrer Eltern und Großeltern kombinieren sie mit ihrer eigenen jugendlichen Experimentierfreudigkeit, frei nach dem Motto „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“.

Wilfried Greben hat mit dem Roesler und dem Pinot Noir zwei der hochwertigen Rotweine sowie den gehaltvollen Weißwein Rotgipfler vom Weingut der jungen Frauen gerne in das Sortiment seines Ladens aufgenommen. Die Weine haben ihn vollends überzeugt und er möchte in seinem Online Shop sein Schwertführerinnen-Sortiment ausweiten.

Das WEINPARADISO freut sich auf eine frauenzentrierte Zukunft

Im WEINPARADISO bei „Le Chef“ Wilfried Greben ist die Damenwahl herzlich willkommen, das merkt man, wenn man als interessierte Kundin seinen Laden betritt. Er freut sich über seine Kundinnen und den offenen Dialog mit ihnen, und auch über die ganze Frauenbewegung in der deutschen Weinwelt. Lässt die Corona-Pandemie endlich nach, kann das WEINPARADISO mit seinen Weinseminaren, Weinverkostungen und Weinreisen beginnen. Wilfried Greben sagt, er sei schon gespannt, welche interessanten Weinfreundinnen er bei diesen Veranstaltungen kennenlernen wird. Auf jeden Fall seien wir alle weintrinkenden Frauen aus Neuburg und von überall her herzlich eingeladen. Das klingt gut – aber eine Frage interessiert mich am Ende dann doch noch: Was ist denn mit den Männern? „Na die sind natürlich genauso herzlich willkommen!“, lacht „Le Chef“. Ehemänner, Brüder, Väter und Freunde dürfen also sehr gerne mitkommen!

Bildquelle: DWI 

 


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